Alltagsrisiken im Corona-Hotspot Neukölln

Drei Begegnungen mit niedrigem Risiko

Noch vor dem ersten Kaffee stelle ich mein Smartphone vom nächtlichen Flugmodus auf vollen Empfang um. Der technische Vorgang am Touchscreen gehört seit Jahren zur normalisierten Morgenroutine. Heute Morgen erinnert mich jedoch meine Corona-Warn-App daran, dass ich im Norden von Neukölln wohne. Inmitten eines Covid-19-Hochrisikogebiets, sogar in dem „führenden Corona-Hotspot Deutschlands“. Und Normalität mutiert in Pandemie-Zeiten zum Luxus.

Kurzum: Die Corona-Warn-App meldet also, dass mir die letzten Tagen zweimal mittlerweile positiv auf Covid-19 getesteten Personen begegnet sein müssten. Dass diese „Treffen“ höchstwahrscheinlich nicht die einzigen gewesen sind, liegt leider auf der Hand. In Berlin haben relativ wenige Menschen die Corona Warn App herunter geladen. Bundesweit nutzen nur 16 Millionen Menschen das Warnmeldesystem und lediglich 60 Prozent der Nutzenden, die positiv auf Corona getestet worden sind, geben ihr Testergebnis überhaupt weiter. Die Dunkelziffer meiner persönlichen Corona-Begegnungen in Neukölln dürfte deshalb um ein Vielfaches höher liegen.

Update, 22.10.2020: Freund an Covid-19 erkrankt und ins Krankenhaus eingeliefert. Gestern mit bereits mittelschweren Symptomen positiv auf Covid-19 an Berliner Teststation getestet, heute schwere Atembeschwerden. Die Sorge um die Gesundheit eines sehr guten Freundes, teile ich mit vielen anderen Mitmenschen dort draußen. Seid vorsichtig, achtsam und solidarisch im Miteinander, helft einander und euren Nächsten.

„Kernaufgabe der Corona-App ist, dass Bürgerinnen und Bürger, die Kontakt mit einem Corona-Infizierten hatten, schnellstmöglich über diesen Kontakt informiert werden. Hierdurch wird eine zeitnahe Isolation der Betroffenen ermöglicht und Infektionsketten werden unterbrochen.“

Bundesregierung.de

AHA + L – Abstand, Hygiene, Alltagsmaske und in geschlossenen Räumen lüften

Mein Corona-Meeting im Vorübergehen ist offenbar ein ziemlich vernünftiger, da verantwortungsbewusster Mensch, der oder die sich trotz unterstelltem höherem Vernunftfaktor bedauerlicherweise aber trotzdem mit Covid-19-Infizierte. Vernünftig allemal, weil die Person sich dazu entschied, solidarisch zu sein. Denn, wer sich prophylaktisch die Corona Warn-App herunterlädt, um zu helfen, die Pandemie einzudämmen, agiert als Einzelner gegenüber der gesamten Gesellschaft dem Gemeinwohl verpflichtet. Danke dafür an Frau oder Herr Unbekannt.

„Aktuell warnen laut Bundesregierung täglich etwa 500 infizierte Nutzer andere über die App – angesichts der Neuinfektionszahlen von heute zum Beispiel über 6000 ist das nicht sehr viel. Ein großer Vorzug aber bleibt: Wenn die App warnt, warnt sie schnell – viel schneller als die Gesundheitsämter das schaffen.“

Tagesschau.de

Wo und wann genau die gemeldete Begegnung mit einem positiv auf Covid-19 getestete Mitmenschen stattfand, kann ich nur spekulieren. Seit April meide ich Menschenansammlungen, trage Maske und halte wichtige Hygiene-Gebote ein. Meine sozialen Kontakte sind drastisch gesunken. Könnte hier spielend eine komplette Liste aller Menschen erstellen, denen ich die letzten Monate näher als zwei Meter gekommen bin. Denn das waren allesamt enge Freunde oder; Rewe-Mitarbeiter hinterm Schutzwall aus Plexiglas.

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Corona Warn-App: Ein Signal der Solidarität mit beschränkter Wirkung

Nein, ich fahre keine U-Bahn oder S-Bahn mehr, sondern ausschließlich Fahrrad. Gehe allerdings noch (ebenda, mit Maske zum Supermarkt) einkaufen und musste am 06. Oktober 2020 als Zeuge vor dem Berliner Landgericht gegen einen fanatisiert durchgeknallten gewaltbereiten Antisemiten aussagen. Dit is Berlin, wa… Jedenfalls wechsele ich sogar die Straßenseite, falls mal wieder eine maskenbefreite Gruppe geselliger Menschen breit aufgestellt den Bordstein in Gänze für sich reklamiert. Abstand, Hygiene, Alltagsmaske (AHA) – ist mir das Gebot der Stunde. Relativ nah kommen mir ungefragt eigentlich nur noch Paketzusteller(!), die es hinbekommen im Flur keinen Abstand zu meiner Wohnungstür zu halten. Aber auch diese in der Hektik des Arbeitslebens reifenden anti-sozialen übergriffig manierlichen Situationsmomente, versuche ich zu minimieren und hole deshalb meine Pakete nach Möglichkeit kontaktlos von der fußläufig nah gelegenen Packstation ab.

„Übrigens: Demokratie bedarf vernunftbegabte Bürgerinnen. Und Freiheit ist kein Geschenk, sondern der Lohn für Verantwortung.“

Robby Tipps

Die Spätis in Neukölln boykottiere ich seit dem Frühling strikt. Warum? Schlechte Erfahrung mit dummen Personal und Inhaberschaft gemacht, das entweder dummdreist ignorant oder schwerst fehl- oder gar nicht informiert wirkt, um sich verantwortungsvoll genug verhalten zu können, den Infektionsschutz zumindest im Groben einzuhalten. Wie erwähnt, die Personenliste mit Namen oder Personenbeschreibung aller Treffen der letzten 14 Tage, wäre gut zu überblicken. Dennoch: Ich lebe in einem Hochrisikogebiet, da sind Begegnungen mit Pandemie-Opfern, trotz selbst auferlegter Kontaktbeschränkung, rein statistisch nunmal höchstwahrscheinlich.

„Dummheit ist ein zähes Kraut – leider. Dummheit wird auch durch eine Corona-Pandemie nicht zu stoppen sein. Die so zu recht genannten Covidioten tragen sehr viel Meinungsmüll mit sich herum, aber haben keine Ahnung. Das ist das Problem der Demokratie: Vernunftbefreite Wutbürger*innen, die Freiheit erkaufen mit Freiheit erkämpfen gleichsetzen. Ist aber nunmal tatsächlich die einzige Wahrheit: Freiheit ist kein Geschenk, sondern der Lohn für Vernunft. Freiheit muss man sich erarbeiten. Wie gesagt: Keine Freiheit ohne Vernunft. Wem’s interessiert, in meinem Kiez und Nachbezirken ist Covid-19 eine reale Gefahr. Seid vorsichtig, achtsam, solidarisch.“

Robby Tipps-Kommentar bei Facebook (Lauterbach)

Meine Corona-Warn-App meldete heute Morgen übrigens zwei Begegnungen mit Covid-19-Infizierten, aber berechnete aufgrund Dauer der Begegnung und Distanz zum Corona-Rendezvous bloß ein „niedriges Risiko“. Bei einem hohen Risiko leuchtete die Warn-App in Signalrot. Bei einem niedrigen Risiko bleibt die App im beruhigend wirkendem Grün. Ferner erklärt die europaweit vernetzte Applikation, dass ich mir keine Sorgen machen müsse, und empfiehlt auch künftig die AHA-Regeln einzuhalten. Was ich wirklich gerne tu. Und auch Sorgen mach ich mir absolut freiwillig und völlig unabhängig von der Corona-Warn-App ganz alleine.

„Sie hatten eine Begegnung mit einer später Corona-positiv getesteten Person. Ihr Infektionsrisiko wird auf Grundlage der Daten der Risiko-Ermittlung dennoch als niedrig eingestuft. Ein niedriges Risiko besteht insbesondere dann, wenn sich ihre Begegnung auf einen kurzen Zeitraum oder einen größeren Abstand beschränkt hat. Sie müssen sich keine Sorgen machen und es besteht kein besonderer Handlungsbedarf. (…)“

Meine Corona Warn-App, 20.10.2020

Ich habe Screenshots von meinem Warn-App-Status angefertigt…

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